Ein berühmter General schlief 1800 in Birnbach? So kann man sich irren…
In einer französischsprachigen Zeitung aus dem digitalen Online-Archiv Digipress las ich kürzlich, dass ein General Mecséry 1800 in Birnbach gewesen sein soll. In der Zeit der Napoleonkriege also. Welch eine Entdeckung, dachte ich!
Schon sah ich den ungarischen General des 10. Husarenregiments triumphierend durch unseren Kurort reiten. Ich stellte mir vor, wie ein stolzes Schild auf einem Bad Birnbacher Gebäude ankündigt: : „Hier schlief ein großer General der österreichisch-ungarischen Armee“.
Genauso, wie an Häusern in Frankreich Tafeln angebracht werden mit dem Hinweis „Hier hat Napoleon geschlafen“ oder wie Schilder vor Landhäusern in USA stolze „George Washington hat hier geschlafen“-Schilder tragen.
Bis ich plötzlich verstand, dass dieser Feldherr sich wahrscheinlich niemals in Birnbach, sondern in SIMBACH am Inn aufgehalten hat! Wie es zu dem Irrtum kam? Nun, meine Quelle war der “Journal politique de Mannheim“ von 1800. Die Zeitung galt als „eine der aufgeklärtesten und freiesten Zeitungen im absolutistischen Europa“ (Wikipedia).
Da steht ganz deutlich: „Seit der letzten Schlacht bis zum 8. Mai blieb der Feind ruhig und man sah nur eine Kolonne seiner Armee sich in Richtung Massing bewegen; Dies wurde von General Mecsery beobachtet, der daraufhin seine Position auf dem linken Innufer in Birnbach einnahm, wo er bleiben wird, bis die Umstände erfordern, dass er auf das rechte Ufer wechselt. »
Es hieß nämlich „in den Depeschen, die Seiner Königlichen Hoheit Erzherzog Johann am 8. dieses Monats von Trostberg sendete, dem Ort, an dem gerade das Hauptquartier errichtet worden war, dass die gesamte Armee entlang der Verteidigungslinie am Inn aufgestellt war; dass die Armee die Brückenköpfe Mühldorf, Kraiburg und Wasserburg besetzte; und dass alle Vorbereitungen zur Verteidigung des Flusses getroffen wurden.“
Irgendwie kam es mir seltsam vor, dass Birnbach am Innufer liegen sollte. Schließlich liegen etwa 30 Kilometer zwischen unserem Ort und dem Inn. Wie sollte man von hier aus Truppenbewegungen am Fluss beobachten können? Egal, ich war schon ganz begeistert, solch eine Sensation entdeckt zu haben und zeichnete schon einmal eine Illustration, die den Feldherrn auf seinem Pferd unterhalb unserer Pfarrkirche zeigt.

Bei meinen weiteren Recherchen erfuhr ich, dass Daniel Mecséry de Tsoor (29. September 1759 – 30. Dezember 1823) damals eine Armee von 60 000 Soldaten befehligte. 60 000 Mann! Wo sollen die denn hier gelagert haben? Etwa an der Rott? Immer mehr Fragen tauchten auf.
In der Zwischenzeit hatte ich mich ganz eingelesen in die Koalitionskriege von 1798-1815 und von den Kopfverwundungen des Generals erfahren. Es gibt sogar einen alten Kupferstich dazu, in dem ersichtlich wird, dass auch die Hälfte seines Ohres abgesäbelt worden war. Dabei musste ich natürlich an Donald Trump denken und schmunzelte: Helden sind eben alle aus demselben Holz geschnitzt.
Jedenfalls kam mir die Sache mit einem riesigen Heer in Birnbach doch seltsam vor und ich schaute weiter im Archiv nach, bis ich einen ähnlichen Text fand. Wieder geht es um eine französischsprachige Zeitung, die sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts als die meistgelesene und einflussreichste Zeitung etablierte, nämlich „Nouvelles politiques“, ebenfalls aus dem Jahr 1800.
Hier liest sich der Text etwas unscharf, die Druckschrift dieser Zeit ist nicht immer sehr klar. Auch hier wird derselbe Inhalt wiedergegeben, nämlich dass Mecsery den Inn beobachtet, aber der Ort liest sich diesmal als „Bimbach“, eventuell „Cimbach“. Und nun fällt es mir wie Schuppen von den Augen: Es handelte sich um Simbach am Inn, nicht um Birnbach! Der Hinweis im Text der ersten Zeitung ist also einem Druckfehler oder einer Namensverwechslung zu verdanken!

Quelle: GetArchive Public Domain Mark 1.0
Also doch keine große Weltgeschichte in unserem kleinen Ort. Egal, erstens habe ich viel dazugelernt und zweitens hat Mecsery, obwohl er in Österreich-Ungarn als Held gefeiert wurde, die Schlachten gegen Napoleon verloren.
Der Text unter dem Kupferstich:
Kupferstich mit Ansichten der Schädelverletzungen des Feldherrn:
Freiherr von Mecsery, k.k. General u. Ritter des militair. Marien Theresien Ordens. Geb 1759, wurde am 20. Oct. 1805 zwischen Eschenau u. Fort schwer verwundet. Auf der linken Seite des Kopfes befinden sich 4 Säbelhiebe die alle bis auf das Gehirn eindringen. Auch ist der rechte Vorderarm abgehauen. Teilkolorierter Kupferstich v. Christoph Wilhelm Bock um 1806.
Das mit dem abgetrennten Vorderarm scheint eine Übertreibung gewesen zu sein. In wissenschaftlichen Berichten, die sich mit dem Fall befassten, geht es nur um eine verletzte Hand.
Hier noch eine Biographie des Feldherren, der hier am Inn die im 2. Koalitionskrieg die Schlachten gegen die Franzosen führte:
Daniel Mecséry de Tsoor (29. September 1759 – 30. Dezember 1823) befehligte den linken Flügel der österreichischen Armee in der Schlacht von Raab während der Napoleonischen Kriege. Zu Beginn der Französischen Revolutionskriege diente er als Offizier im 3. Husarenregiment, zeichnete sich 1796 in Biberach aus und stieg 1798 zum Kommandeur des 10. Husarenregiments auf. 1800 wurde er zum Generaloffizier befördert und führte den Vormarsch bei Hohenlinden an. 1805 führte er seine Truppen bei Elchingen an.
Am 20. Oktober 1805 wurde er in Eschenau schwer am Kopf und am Oberkörper verletzt. Seine wundersame Genesung der schweren Wunden brachte ihm den Spitznamen „der zähköpfige Ungar“ ein. 1809 wurde er zum Feldmarschall-Leutnant erhoben. Ab 1814 bekleidete er die Position des Kommandierenden Generals von Schlesien und Mähren und wurde Mitglied des Hofkriegsrats (1815) und des Geheimen Rates des Innern. Er starb 1823 in Wien.
Quelle: Wikibrief
Eigentlich freue ich mich über den Druckfehler, denn ohne ihn hätte ich nichts von diesem ungarischen General erfahren!
Quellen: Nouvelles politiques. 1800 ## 30.12.1800
Journal politique de Mannheim. 1800,181-363 ## 23.12.1800

