
CZ// Relevantnější než kdy jindy: Karl Klostermann, „multikulturní“ autor.
Karl Klostermann – den Namen hatte ich schon mal hier und da gelesen. In meinen inneren Schubladen hatte ich den Namen unter dem Etikett „ein wahrscheinlich langweiliger Heimatdichter“ abgelegt. Dass er mich irgendwann restlos begeistern und zu Tränen rühren würde, das hätte ich nie gedacht! Ein echter Brückenbauer ist er, dieser Mensch!
Es ist nicht nur so, dass er realistische Darstellungen des Böhmerwaldes und seiner Bewohner machen würde. Er lässt die ganze Gegend wieder aufleben, wie sie vor über 100 Jahren war! Klostermann wurde nämlich 1848 geboren und starb vor beinahe 100 Jahren, 1923. Er beschreibt die Freuden und Sorgen der Menschen im Wald, der Holzhauer, Förster, Heger und deren Familien. Auch das Leben von Frauen und Kindern lässt er wieder aufleben. Und natürlich lässt er auch die Natur von damals vor unseren Augen wieder auferstehen. Keine nur romantischen Darstellungen, ganz im Gegenteil. Es geht um den Borkenkäferbefall von 1870, um verheerende Stürme und die Sorge über die aufkommende Tourismusindustrie.
Was mich aber ganz besonders begeistert bei diesem Autor, ist seine Abneigung gegen Nationalismus und Intoleranz. Sein Plädoyer für Völkerfreundschaft! Ist er Tscheche, ist er Deutscher? Er stellt sich oft diese Frage und entscheidet, dass Nationalität unwichtig ist, die Natur allen gehört und jeder sich daran freuen kann. Dass Kriege und Hass aus Dummheit geboren werden und vermeidbar wären.

Wie ich trotz meiner Vorurteile zu Klostermann kam? Nun, wir sind oft im Böhmerwald unterwegs und durchqueren dabei immer wieder die Gegenden, in denen in der Nachkriegszeit ganze Dörfer zerstört worden sind. Hurkenthal, Buchwald, Fürstenhut und wie sie hießen. Historische Alben und Infotafeln am Wegesrand erinnern an sie. Auf den Tafeln taucht er immer wieder auf, dieser Name: „Karl Klostermann“.
Auf den Resten einer zerstörten Kirche in Hurkenthal las ich: „In dieser Gruft der Familie Abele ruhten die Gebeine des Vaters von Karl Klostermann, Dichter des Böhmerwaldes, Dr. Josef Klostermann, Arzt in Bergreichenstein“.

Nun gut, da entscheide ich mich, ein Buch dieses Autors zu bestellen: „Böhmerwaldskizzen“, die Erstausgabe ist von 1890. Ich fange an zu lesen und kann das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Und dies in Zeiten, wo das Handy auf dem Nachttisch lockt! Eine Passage auf Seite 85 erscheint mir so aktuell, dass ich sie hier zitieren muss. Hier sollte man meiner Meinung nach „Fremdenbücher“ durch „soziale Medien“ ersetzen:
„Wenn du dort ins Wirtshaus kommst, so magst du dich nach den alten Fremdenbüchern erkundigen, du findest vielleicht manchen lieben Bekannten, denn die Rusel ist fashionable geworden in den letzten Jahren. Ich muss gestehen, ich durchblätterte sie ehemals gern, die alten Fremdenbücher; sie waren so harmlos und enthielten so manche interessante Bemerkung, so manchen Vers, der entweder von der hohen Begeisterung seines Verfassers oder von dessen göttlicher Naivität Zeugnis abgab. Jetzt ist das anders geworden; jetzt glaubt jeder Wicht, der da kommt, dass die Welt auf die blöden Ergüsse seines Hasses warte, die er, in Ermangelung anderer Ablagerungsstätten, in die Fremdenbücher leitet.
Wenn ich das alles sehe, so wird mir immer weh ums Herz. Da lebten wir früher so ruhig beisammen, und niemandem fiel es ein, nach der Nationalität des anderen zu fragen; es wurde kein Mensch tschechisiert noch germanisiert. Ist denn keine Möglichkeit da, dass sie wiederkehre, die goldene alte Zeit, wo wir alle Brüder gewesen in guten und schlimmen Tagen? Lasse man doch jeden in Frieden und schreibe keine leitartikelartigen Aperrus und keine geharnischten Fehdebriefe in die armen Fremdenbücher, die wohl nur deswegen so zersetzt und schäbig aussehen. Ein Weißbuch für uns oben im grünen Wald und kein Gelbbuch giftigen Hasses; wir wollen uns ja alle freuen in Gottes schöner Natur, ob deutsch, ob slawisch – gehört uns doch der Böhmerwald allen, und kommt ein Franzose oder sonst wer, so kann er sich auch drüber freuen, wenn er es nicht vorzieht, blutige Tränen zu weinen über die traurigen Verwüstungen jüngst vergangener Jahre und über die kleinlichen Menschen, die, selbst wenn sie einmal der Natur herrlichstem Tempel einen Besuch abstatten, ihren Hass nicht daheim lassen können!“
Hier einige Texte von Klostermann online: Projekt Gutenberg – Klostermann – Böhmerwaldskizzen
Der Autor sprach Deutsch und Tschechisch, er schrieb in beiden Sprachen. Sein Vater beherrschte 5 Sprachen. Seine Mutter hatte deutsches, tschechisches und flämisches Blut. Dass diese Multikulturalität ein enormer Reichtum ist, gerät heute leider wieder aus dem Fokus. Dabei ist es gerade sie, die Brücken baut zwischen Menschen, Regionen, Ländern, Kulturen und Sprachen.
#böhmerwald #frieden