Letztens haben wir einen Heimatabend der ganz besonderen Art mit dem Titel „Hinterbayerisches und HoamadJazz“ in Eggenfelden erlebt. Als „original Waidler Buam“ wurde das Protagonisten-Duo vorgestellt. Denn sowohl der Kabarettist und Fotograf Herbert Pöhnl als auch der Jazzpianist und Komponist Sven Ochsenbauer stammen aus Viechtach im Bayerischen Wald.

Wie ein roter Faden zog sich nun sowohl durch die Texte, Musik und Bilder ein gemeinsames Motiv: die schwierige Vereinbarung von Tradition und Moderne in einer Region, die sich am Ende als gar nicht so fiktiv herausstellt.
Mit Witz und großer Sprachgewandtheit, aber auch mit einer Spur Wehmut beschrieb nun Pöhnl, wie es in einem typisch „hinterbayerischen Dorf“ zugeht. Dort wird keine Mühe gescheut, den Ort zu „verschönern“ und Werbefilme über „lebendiges Brauchtum“ zu produzieren, um Übernachtungszahlen in die Höhe zu treiben.

Fleißig werden Gartenzwerge shampooniert, das letzte Exemplar einer ehemaligen Lindenallee erhält ein angenageltes Schild mit der Aufschrift „Naturdenkmal“, im Landgasthof „s’Wildererstüberl“ sorgt Alleinunterhalter Sepp für Fröhlichkeit, während draußen betoniert und gegen Wildwuchs und Löwenzahn im Garten gekämpft wird. Der Dorfplatz wird zum Parkplatz; Direktvermarkter bieten Streuobst an, obwohl es weit und breit keine Streuobstwiese gibt; lokale Politiker recken in der Heimatpresse stolz den Daumen hoch. Die Enttäuschung ist groß, als das Dorf trotz allem nur den zweiten Platz erringt. Ob das am verwilderten Pfarrgärtchen liegen mag, in dem noch die letzten „Waldvogerl“ singen, fragt man sich.
Jetzt strengt man sich erst recht an, das Ziel zu erreichen. Eine vielfach mit den Begriffen „Bio“, „Öko“ und „Heimat“ garnierte Hochglanzbroschüre wird erstellt. Im Imagefilm tauchen nun grinsende Wolpertinger auf. Auch wird das Bild einer schwarz gekleideten alten Frau vor einer windschiefen Hütte mit Untertitel „Beten ist in“ eingeblendet, während Wölfe heulen und Schnee rieselt.

Immer wieder illustrierte Pöhnl seine von Ironie geprägten Kurztexte ganz ohne PowerPoint-Präsentation mit großformatigen Fotos. Hier wurde den Zuschauern noch klarer, was Hinterbayern ist: eine Region, in der sandgestrahlte Totenbretter als „Dorfdeko“ fungieren, überdimensionierte Gewerbegebiete den Blick auf die Landschaft versperren, selfiemachende Wolfausläuter silberne Moonboots tragen, während die „Lewakassemmelkönigin“ in „weißblauer Xmas-Stimmung“ vegane Leberkässemmeln anbietet.
Schnell wird dem Publikum klar, dass es dieses „Hinterbayern“ und deren geschmackliche Verirrungen kennt. „Wo Toskanahäuser sich mit Dreschflügeln schmücken und Totenbretter in Ebay verkauft werden, da san mia dahoam. Mich fragt man immer, wo Hinterbayern sei. Inzwischen sage ich: überall“, so der Kabarettist Pöhnl.

Virtuos und einfühlsam begleitete der Pianist Sven Ochsenbauer mit verjazzten Variationen von alten Volksliedern die Lesung und unterstrich dabei gekonnt sowohl die komischen als auch die traurigen Momente. Mit swingenden Jazzklängen, stimmungsvollem Blues und traditionellen Melodien gelang es ihm dank fließender Übergänge durch seine kreativen und sensible Spielweise die jeweilige Stimmung zu verstärken.
So konnte das Duo dem begeisterten Publikum manchen herzhaften Lacher entlocken. Und doch überwog immer wieder eine nachdenkliche Stimmung, insbesondere als der Abend mit einer bezaubernden zeitgenössischen Version des Liedes „Fein Sein beinander Bleibn“ ausklang.
Hätte ich nie geglaubt, dass hinter Bayern noch was kommt.
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Eben doch 🙂 Das sagt Pöhnl dazu: „Bayern ist Kulisse. Hinterbayern ist, was dahinter kommt“ 🙂
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