Gelebte Geschichte(n): Vom Passierschein zum Quartier Vauban in Freiburg

Ein altes Passierschein-Dokument der französischen Streitkräfte mit einem Foto und persönlichen Informationen, ausgestellt für eine Schülerin des Centro Equestre im Quartier Vauban in Freiburg.
Passierschein für die Vauban-Kaserne der Französischen Streitkräfte – 1979

Dies ist ein Passierschein für eine Kaserne der französischen Streitkräfte (FFA) – mit ihm kam ich in den 70ern zu meinen geliebten Pferden. 

Damals dachte ich, die Vauban-Kaserne in Freiburg im Breisgau habe es immer schon gegeben und würde ewig bestehen. Erst später begreift man, dass man mitten in der Geschichte lebt. 

Ich ging ins französische Gymnasium Lycée Turenne und hatte donnerstags Reitunterricht in der Kaserne; Schüler und Soldaten konnten dort reiten lernen. Der Unterricht war streng, die Pferde bloße „Sportobjekte“ – und doch war ich dankbar, einmal pro Woche große, warme Tierleiber streicheln zu dürfen, mein Trost in der kalten Internatswelt. 

Das Gelände war ursprünglich die 1937 von der Wehrmacht erbaute „Schlageter-Kaserne“. Freiburg nannte sich damals „Friedensgarnison“ und fühlte sich „sicher im Schutze der Wehrmacht“ (Lexikon der Wehrmacht). Nach Kriegsende diente die Kaserne als Sammelstelle für ehemalige polnische und sowjetische Zwangsarbeiter, bevor 1945 die französischen Militärbehörden übernahmen und sie nach Festungsbaumeister Vauban benannten. 

1992 zog das französische Kontingent in der Folge der deutschen Wiedervereinigung aus Freiburg ab.

Schon 1993 entstand die Vision eines ökologischen Stadtteils mit autoreduziertem Verkehrskonzept. Heute gilt das „Quartier Vauban“ als Modellviertel für nachhaltiges Wohnen.

Erst im Nachhinein merkt man, dass man nicht nur Geschichte erlebt, sondern selbst Teil von ihr geworden ist – mit all den persönlichen „Geschichten“, die man im Lauf des Lebens sammelt und die sich in die große Geschichte einfügen…

Und hier noch eine Erinnerung an die Grundschule der französischen Streitkräfte in Freiburg

FR: Ceci est un laissez‑passer pour une caserne des Forces françaises en Allemagne (FFA) – grâce à lui, j’accédais dans les années 70 à mes chevaux bien‑aimés. À l’époque, je pensais que la caserne Vauban avait toujours existé et durerait éternellement. Ce n’est que plus tard qu’on comprend qu’on vit au cœur de l’histoire.

J’étais élève au lycée français Turenne et suivais le jeudi des cours d’équitation dans la caserne, ouverts aux élèves comme aux soldats. L’enseignement était strict, les chevaux considérés comme de simples « objets sportifs » – et pourtant j’étais reconnaissante de pouvoir, une fois par semaine, caresser ces grands corps chauds, mon réconfort dans le monde froid de l’internat.

Le site était à l’origine la « caserne Schlageter », construite en 1937 par la Wehrmacht. Après la guerre, il servit de centre de regroupement pour d’anciens travailleurs forcés, avant d’être repris en 1945 par les autorités militaires françaises et rebaptisé en l’honneur de Vauban.

En 1992, le contingent français quitta Freiburg. Dès 1993, une vision d’un quartier écologique avec un trafic réduit prit forme. Aujourd’hui, le « Quartier Vauban » est reconnu comme modèle de vie durable.

Ce n’est qu’après coup qu’on réalise qu’on n’a pas seulement vécu l’histoire, mais qu’on en est devenu soi‑même une partie – avec toutes ces petites histoires personnelles qui s’inscrivent dans la grande Histoire.

Das sterbende Forsthaus – Geschichten aus dem Böhmerwald

Detailaufnahme des verfallenen Forsthauses im Wald mit Graffiti an den Wänden und dichtem Grün im Vordergrund.
Seit kurzem verzieren Graffitis die Ruine

Ich liebe dieses Forsthaus im Wald.
An der Geschichte eines Gebäudes lässt sich manchmal die Geschichte einer ganzen Gegend ablesen. Die Mauern, die langsam zusammenfallen und zerbröseln, erinnern an die alternde Haut eines sehr betagten Menschen. Inzwischen zieren moderne „Tattoos“ – Graffitis – die alte Haut des sterbenden Hauses.

Eine Person mit einem Rucksack geht auf ein altes, verwittertes Forsthaus im Wald zu, umgeben von hohem Gras und Büschen.
The Story of an Old Forester’s House in the Bohemian Forest

Als wir vor einigen Jahren zum ersten Mal hier waren, dachte ich, es sei noch zu retten. Inzwischen beobachte ich den Verfall mit einer Mischung aus Trauer, Bedauern und Akzeptanz – schließlich können wir nicht alles festhalten.

Die Besitzerin, die das Haus geerbt hat, lebt in den USA und hat vermutlich andere Prioritäten. Manchmal denke ich, dass es besser ist, wenn das Haus „verwest“ – so poetisch und organisch –, als wenn es von der Freizeitindustrie abgerissen und als Pension mit Café und überdimensioniertem Parkplatz neu aufgebaut wird, wie wir es leider allzu oft erleben.

Aus Liebe zu diesem verzauberten Ort möchte ich noch einmal zusammenfassen, was über ihn zu erfahren ist:

Eine Wasserfarbe zeigt einen Jungen auf einem Pferd, eine Frau, die ein Kind begleitet, und eine weitere Szene mit Kindern und Tieren im Garten vor einem weißen Forsthaus in einer idyllischen Landschaft.
Mein Aquarell stellt das Leben des Arztes mit Frau und Kind im Forsthaus in der Einöde dar

Das imposante Gebäude im bayerisch-böhmischen Grenzgebiet wurde im 19. Jahrhundert errichtet. Es gehörte einst dem Bankier František Hasek, der 1942 von den Nationalsozialisten in Prag hingerichtet wurde. Vermutlich hatte er das Haus als Rückzugsort erbaut. In der Nähe befand sich ein kleines Glashüttendorf, dessen deutschsprachige Bevölkerung nach dem Krieg vertrieben wurde.

Das verfallene Forsthaus im Wald, umgeben von dichtem Grün und sichtbaren Graffiti auf den Mauern, zeigt die Spuren seiner Geschichte und des Verfalls.
Asche zu Asche…

Danach verfiel das Haus. Einmal schlug sogar der Blitz ein – es schien bereits damals dem Untergang geweiht. Doch dann rettete der Arzt MUDr. Zdeněk Kostrouch das Anwesen, in das er 1964 einzog:

„Über seine erste Begegnung mit Pustina sagte der Arzt: ‚In den fünfziger Jahren fuhr ich von Hartmanice nach Kašperské Hory und sah im Rückspiegel eine Rauchsäule. Einmal blitzte es – und es war vorbei. Danach wucherte Pustina mit Brennnesseln zu. Im Frühjahr 1964 sollte sie abgerissen werden, da sie im militärischen Sperrgebiet Dobrá Voda lag. Dank meiner Kontakte konnte ich die Entscheidung zur Demolierung stoppen und zog selbst dort ein.‘“

Kostrouch richtete auf Pustina einen landwirtschaftlichen Betrieb ein, organisierte eine Bibliothek und stattete eines der Zimmer mit antiken Möbeln aus. Da die Fahrt zur Praxis in Hartmanice – besonders im Winter – sehr problematisch war, besaß Doktor Kostrouch Pferde, mit denen er auch Patienten besuchte. „Die Einöde wucherte danach mit Brennnesseln zu. Im Frühjahr 1964 sollte sie abgerissen werden, da sie im militärischen Sperrgebiet Dobrá Voda lag. Dank meiner Kontakte konnte ich den Abriss stoppen und zog selbst dort ein.“

Quelle: sumava.cz

Ein charmantes Forsthaus im Wald, umgeben von grünen Wiesen und Bäumen, mit einer charakteristischen roten Fassade und einem schiefergedeckten Dach.
Ich habe eine Künstliche Intelligenz gebeten, das Haus in seinen „Urzustand“ zurückzuversetzen. Dieses Bild kam dabei heraus. Es erscheint mir etwas zu „perfekt“, gibt aber einen Eindruck von der Pracht des Gebäudes.

Beschreibung des Gebäudes: Es handelt sich um ein herrschaftlich anmutendes Forsthaus mit Krüppelwalmdach, weißen Säulen, einer Veranda und einem kleinen Holzbalkon im Giebel des Obergeschosses. Die Fassade aus Holzschindeln, die hölzernen Verzierungen und dekorativen Elemente auf der Veranda spiegeln die handwerkliche Tradition der Region wider.

Hier mein letzter Beitrag darüber: Der Arzt auf dem Pferd

EN: The old forester’s house in the Bohemian Forest, through its decay and its history, tells much about the turbulent past of the region—from displacement and war to personal rescue and remembrance. Once a retreat for a Jewish banker and later the workplace of the legendary “doctor on horseback,” it was lovingly inhabited for decades before being abandoned once more. Today, it stands as an enchanted place between nature and history, threatened by oblivion.

Moderne Steinzeit – Ein Besuch in der archäologischen Staatssammlung in München

A visitor observes an ancient stone sculpture in a modern museum setting, with focused lighting highlighting the artwork.
Auge in Auge mit der Vergangenheit

Wer an eine archäologische Sammlung denkt, hat oft verstaubte Knochen, Faustkeile und vielleicht noch antike Münzen vor Augen. Doch die Archäologische Staatssammlung, die 2024 neu eröffnet wurde, überrascht mit einer modernen Präsentation und einer beeindruckenden Themenvielfalt. Schon beim Betreten nimmt sie die Besucher mit auf eine Zeitreise – von Millionen Jahren Vergangenheit bis in unsere Gegenwart. 

Die schiere Menge an Objekten lädt dazu ein, in vergangene Welten einzutauchen, die uns noch heute berühren. Ein besonders faszinierendes Detail: Man kann buchstäblich über die Vergangenheit laufen! Fundstücke liegen unter Panzerglas und ermöglichen es den Besuchern, Geschichte unter ihren eigenen Füßen zu entdecken.

Eingang zur Archäologischen Staatssammlung mit Außensitzbereichen, Sonnenschirmen und einem Informationsschild.
Die Staatssammlung liegt direkt am Englischen Garten

Zusätzliche Informationen lassen sich per Barcode abrufen, ergänzt durch zeitgemäße Illustrationen und Comics des Künstlers Frank Schmolke.

Die Sammlung folgt nicht dem klassischen chronologischen Konzept, sondern orientiert sich an thematischen Schwerpunkten, die bis heute relevant sind: Selbstdarstellung, Werte, religiöse Symbole und Rohstoffe –Themen, die sich durch alle Epochen ziehen. 

Besonders berührend fand ich eine ägyptische Kindertunika aus Wolle und Leinen, die 1600 Jahre überdauert hat. Ein eindrucksvolles Exponat, das d als Inspiration für zeitgenössische Modedesigner dienen könnte. 

Toll ist auch, dass das Museum direkt am Englischen Garten liegt.

Eine ägyptische Kindertunika aus Wolle und Leinen, die unter Panzerglas ausgestellt ist, zeigt kunstvolle Verzierungen und ist über 1600 Jahre alt.
Kindertunika aus Ägypten für ein 5jähriges Mädchen – 4 Jh. n. Chr.
Tafel mit Informationen zur Identität von Menschen, umgeben von Illustrationen und grafischen Elementen, die Aspekte der Archäologie und ethnischen Herkunft darstellen.
Identität – Archäologie
Ausstellung von archäologischen Objekten in Vitrinen, mit thematischer Präsentation durch Comics im Hintergrund.
Illustrationen von Frank Schmolke
Eine Karte von Europa, die antike Städte und bedeutende Siedlungen mit schwarzen Punkten darstellt.
Keltische Oppida in Europa – alle auf einen Blick
Inscription on a metallic tablet displayed in a museum, showcasing ancient Roman writing.
Bürgerrechtsurkunde für einen Soldaten in der Römischen Kaiserzeit – Lkr. Traunstein – ausgestellt am 15. Juni 64 n.Chr. Die Urkunde dokumentiert die Verleihung des Römischen Bürgerrechts an den Reiterveteranen Cattaus einschließlich Frau und Kinder als Belohnung für 25 Jahre Dienst.
Eine ägyptische Mumie in einem Glasvitrin, die eine Holzkiste und einen schädelähnlichen Kopf zeigt, umgeben von einem neutralen Hintergrund.
Die „Frau von Peiting“, eine Moorleiche aus dem Mittelalter

Im Video:

Heimatgeschichten – Der ertrunkene Jüngling – 1855

Illustration: Nadia Baumgart

Heimatgeschichten – Der ertrunkene Jüngling

Wieder eine Geschichte aus dem Zeitungsarchiv, diesmal aus dem Katholischen Sonntagsblatt von 1855.

„Am 9. Januar verkündete das Trauergeläute der Pfarrkirche Birnbach das Begräbniß eines im Wasser verunglückten Jünglings. Es war der Taglöhnerssohn Seb. Schlehuber von Ried. Er hatte sich am 2. Jan. bei einem Gefährd, das über die seicht überlaufene Rothbrücke setzen wollte, hilfreich erwiesen und dabei, indem er zwei im Wagen stehende Personen aus der Gefahr retten, und das Pferd über die Brücke führen wollte. Unglücklicher Weise selbst, sammt dem Pferde über die Brücke fallend, in die reißenden Wellen seinen frühen Tod gefunden. Erst am Feste der heiligen Dreikönige wurde seine Leiche eine halbe Stunde unterhalb der Brücke aufgefunden und zu seinem Dienstherrn, dem Schmiedmeister in Schweibach gebracht. Er war eine Zierde des Birnbacher Bundes gewesen; deshalb brachten die Jünglinge von dort, sowie von Trieftern, St. Johannskirchen und Egglham seine Leiche, die Bundesfahne voraus, von Schweibach nach Birnbach, und senkten sie unter frommen Gebeten in das geweihte Erdreich. Indem wir hiermit den verstorbenen auch in das Gebet der übrigen Bünde empfehlen, können wir gleichwohl für die Hoffnung seines ewigen Heiles die besten Trostgründe bieten. Schlehuber war seit den tagen der Mission (1847) eifriges Bundesmitglied gewesen, und war noch Tags vor seinem Tode schon allerfrühst um 3 Uhr aufgestanden, um erst seine Arbeit im Stalle zu verrichten und dann in die Kirche zum hl. Sakramente der Buße und des Altares zu eilen. Nachmittags war er nach Ried zu seinem Bruder und Verwandten gekommen, um auf solche Weise dort, freilich unbewußt seines frühen Todes, Abschied zu nehmen. Seht, so sorgt der liebe Gott für seine Erdenkinder! Auch im Unglück bleibt er ihnen ein liebender Vater, und läßt ihnen alle Dinge zum Besten, zum ewigen Heile gereichen.“

Es klingt hier fast so, als müsse der ertrunkene junge Mann sowie seine Freunde und Familie für seinen Unfalltod dankbar sein. Das liegt wahrscheinlich an der Zeit: 1848 scheiterte die „Revolution“, die Wiederherstellung der konservativen politischen Zustände und Herrscherverhältnisse ist nun an der Tagesordnung. Die katholische Kirche ist in dieser Zeit besonders darum bemüht, alles „revolutionäre Gedankengut“ zu unterdrücken.

Heute würde man den jungen Mann ehrlich betrauern und Brücken vor dem Hochwasser schützen, anstatt sich bei dem Herrgott für seinen frühen Tod zu bedanken.

Bemerkenswert ist auch, wie dieser Text einen Einblick in die damaligen Arbeitsverhältnisse gab. So musste der junge Mann schon um 3 Uhr morgens aufstehen, den Stall misten und die Tiere versorgen, dann war er in die Pfarrkirche gegangen, um danach seine Verwandten in Ried zu besuchen und ist später zurück nach Schwaibach gegangen, wo sein Dienstherr wohnte. Somit ist er mindestens zwanzig Kilometer zu Fuß gelaufen, bevor er den Tod in der Rott fand. Heute klagen wir über zu wenig Bewegung…

Quelle: Katholisches Sonntagsblatt. 7. 1855 ## 21.01.1855

Und hier alle Heimatgeschichten aus Zeitungsarchiven:

Diebstahl in Birnbach im Jahr 1847 – Eine lokale Kriminalgeschichte aus fernen Zeiten

Eine lokale Kriminalgeschichte aus fernen Zeiten

Diebstahl in Birnbach im Jahr 1847 – Bericht aus dem „Bayerischen Volksblatt“

Letztens fand ich in dem digitalisierten Archiv des Bayerischen Volksblatt einen Bericht von März 1850, in dem es um einen Diebstahl ging, der sich in unserer Gegend im Jahr 1847 zutrug, als Ludwig I. der König von Bayern war. In diesem Artikel wird die Verhandlung in Straubing im Detail beschrieben.

Eigentlich fand der Diebstahl im Landkreis Kelheim statt, aber da der Angeschuldigte aus Birnbach kam, las ich den Beitrag mit besonderem Interesse. Das Diebesgut soll in jener Nacht teilweise auch nach Birnbach gebracht worden sein. Ich frage mich, wie. Denn zwischen dem Tatort und Birnbach liegen mehr als 100 Kilometer…

Worum es da also ging? Kurz zusammengefasst: Ein sogenannter Georg Progner aus Birnbach traf sich nachts mit zwei Mittätern, brach in einen Hof ein und stahl 30 Kilo Fleisch. Die Progners sollen sich nämlich mit Augustin Grillbeck zur „Verübung eines Diebstahls“ verabredet haben: Sie wollten bei Gaisberger zu Frauenwahl (einem Ort im Landkreis Kelheim) Fleisch stehlen.

Was mich an dieser Geschichte bewegt? Zunächst einmal die Sprache, in der der Zeitungsredakteur berichtet. Präzise, lange, schöne Sätze. Das liest sich beinahe wie ein guter Roman, nicht wie die heutigen Presseberichte. Was wir aktuell als Bagatelldelikt abtun würden, hat den literarischen Ehrgeiz des Journalisten Sauer (als „verantwortlicher Redakteur“ angegeben) anscheinend angespornt.

Aber auch zu erfahren, dass die Diebe das gestohlene Räucherfleisch zum Teil selbst gegessen und auch verschenkt haben sollen, hat mich daran erinnert, wie wertvoll Fleisch damals war. Die mitgenommenen Gegenstände werden nämlich kaum erwähnt; die 30 Kilo Schweinefleisch aber, scheinen so wertvoll gewesen zu sein, dass sie mehrere Gerichtsverhandlungen rechtfertigten. Wahrscheinlich hatten Progner & Co schon sehr lange kein Fleisch mehr gegessen, sonst hätten sie den Ärger mit der Justiz nicht riskiert. Heute wird Fleisch als „klimaschädlich“ angesehen; so ändern sich die Zeiten.

Hier die Geschichte:

Angeschuldigt wurde Georg Progner von Birnbach, der zusammen mit Johann Nepomuk Progner von Grub und einem sogenannten Augustin Grillbeck in der Nacht vom 19. auf den 20. Januar 1847 einen Diebstahl begangen haben soll.

„In dieser Nacht sollen sie in dem mit Gaisbergers Wohnhause verbundenen Stalle einen Fensterstock gewaltsam herausgerissen haben.“ Sie sollen „neben einigen anderen Gegenständen eine Quantität Schweinefleisch zu beiläufig 60 Pfund entwendet haben.“ Nach der Tat soll sich Progner mit seiner Geliebten, „der Waberl nämlich“, „fort nach Haselbach“ gemacht haben. Einen Teil des Fleisches sollen sie dort miteinander gegessen, einen weiteren Teil verschenkt haben.

Der Großteil des Fleisches soll von der Geliebten Grillbecks, Barbara Krempl, an die Familie Strasser aus Langquaid verkauft worden sein. Die Maurersfrau Anna Maria Strasser war dann auch diejenige, die vor Gericht die Täter identifizierte.

„Die Barbara Krempl gibt zu, einen Teil des fraglichen Fleisches nach Langquaid getragen und dort dasselbe zum Teil an Thomas Strasser verkauft und zum Teil verzehrt zu haben – behauptet aber, nicht gewusst zu haben, woher dieses Fleisch rühre, welche Behauptung aber bei ihrem innigen Verhältnis mit Grillbeck, bei ihrer  Bekanntschaft mit der Unvermögenheit und Geschäftslosigkeit desselben und bei dem Umstande, dass Grillbeck mit Progner in dunkler Nacht das fragliche Fleisch nach Birnbach gebracht und sich von da noch vor Tagesanbruch mit ihr entfernt hat, keinen Glauben erhalten wird.“

„Georg Progner, welcher in der Voruntersuchung ein umfängliches Geständnis abgelegt hat, widerspricht heute ausdrücklich jede Teilnahme an diesem Diebstahl seinerseits und behauptet zur Ablegung seines Geständnisses durch Drohungen und Schläge gezwungen worden zu sein.“

Diese Aussage war nicht glaubwürdig, denn: „Bei einer gerichtlichen Hausdurchsuchung im Prognerschen Hause zu Birnbach wurden auch einige der gestohlenen Gegenstände gefunden“, insbesondere ein Haferl mit Schmalz und ein „Striegel zum Putzen der Kühe“.

„Die Beschuldigung gegen Grillbeck und Georg Progner bezüglich dieser Tat geht auf das Verbrechen des ausgezeichneten Diebstahls; gegen Barbara Krempl auf Begünstigung des Diebstahlverbrechens.“

Der Täter war ein armer Mann

Progner, der bereits 55 Jahre alt war, wurde übrigens in einem anderen Bericht der Abenberger Wochenblatts als „Söldner“ bezeichnet. Da wurde über eine andere Verhandlung berichtet, in der es um den Diebstahl eines Mantels ging.  Da es um recht friedliche Zeiten vor dem Revolutionsjahr 1848 ging, ist unter „Söldner“ nicht der angeworbene Soldat zu verstehen, sondern ein sehr armer Bauer: „Der Söldner oder Seldner bezeichnete in Bayern und Südwestdeutschland den Bewirtschafter einer Sölde, eines bäuerlichen Guts, das oft nicht ausreichte, um davon leben zu können. Der Besitzer musste sich deshalb meist auch noch als Handwerker oder Taglöhner verdingen. (Quelle: GenWiki)“

Die Verurteilung

Aufgrund dieses und weiterer Delikte wurde Georg Progner zu 12 Jahren Zuchthaus und Augustin Grillbeck (der bedeutend jünger war) zur Kettenstrafe verurteilt.

Quelle: Bayerisches Volksblatt. 1850, 1 – 6 = Jg. 2 ## 05.02.1850 – Digitale Sammlungen

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