Zwischen Volkskunst und Glauben

Eine Sammlung von Votivbildern, die im Rundgang um die Gnadenkapelle in Altötting ausgestellt sind. Die Bilder erzählen persönliche Geschichten und vermitteln einen religiösen Glauben.
Der Rundgang in der Gnadenkapelle ist mit tausenden von Votivbildern behängt

Gestern waren wir auf dem Kapellplatz in Altötting. An den Votivbildern im Rundgang um die Gnadenkapelle kann ich mich nie satt sehen. Da werden so viele Geschichten erzählt, in denen Angst im Vordergrund stand (Krankheit, Unfall, Armut, Krieg…) und am Ende alles gut ging. „Maria hat geholfen“. Hier gibt es immer ein „Happy End“; die Dankbarkeit, die dann zum Ausdruck kommt, berührt mich.

Votivbilder sind oft bewusst schlicht und direkt: Sie erzählen persönliche Geschichten, dokumentieren Schicksale und verbinden Kunst mit gelebtem Glauben. So entsteht eine einzigartige Bildtradition, die zwischen Volkskunst und religiösem Zeugnis steht.

Der Himmel war tiefblau, die gelben Blätter der Ahornbäume leuchteten wie kleine Sonnen, die Atmosphäre war heiter und ruhig. Ich bin dankbar für solche Momente in unserer unruhigen Welt…

Hier einige Eindrücke:

Ein Votivbild eines Pferdes mit einem Fohlen, gerahmt und an einer Wand hängend.
Votivtafel als Dank dafür, dass die Stute endlich gefohlt hat

Einige Beispiele:

Eine Votivtafel von 1874 als Dank dafür, dass der Schuhmacher Franz Reichl nach einem Unfall sein Augenlicht wieder erlangte.
Es gibt auch moderne Votivtafeln. In einem Bild dankt eine Familie für die Rettung der Tochter aus einem Unfall 2018.
Ein Mann wird aus einem Brunnen gerettet.
In einem Bild von 1872 dankt eine Familie, welche die „Blatternkrankheit“, auch Pocken genannt, gut überstanden hat.

Hier nochmal Votivbilder mit Tieren

Hier ein Rundgang im Video:

Wertvolles aus der Vergangenheit: Die Fraisenkette

Frais-Brief und Fraisenkette im Heimatmuseum Simbach am Inn
Fraisenkette und Frais-Brief im Heimatmuseum Simbach am Inn

Heimatmuseen sind wichtig, um die Welt zu verstehen, in der wir leben. Das habe ich jetzt wieder erlebt.

Letztens las ich nämlich in einem Buch, in dem ein Kind vorkommt, das im Jahr 1825 „von der „Fraiß“ heimgesucht wurde und daran starb, obwohl sein Vater den „Fraißbrief“ gelesen hatte.

Fraiß, Frais, Fraisbrief, was ist denn das? – habe ich mich gefragt.

Auszug aus Schrift zum Vierseithof Mittermayr
Auszug aus der Schrift „Der Vierseithof des Mittermayr zu Riedertsham – Schriftenreihe des Bayerischen Landesamtes für Denkmalschutz – Hier kann man lesen, dass das Kind stirbt, obwohl der Vater den „Faißbrief“ über dem Kind gelesen hat.

Gestern haben wir das Heimatmuseum in Simbach am Inn besucht und siehe da, da war schon die Antwort! Da lag nämlich eine „Fraisenkette“ neben einem „Frais-Brief“. Nun weiß ich also, dass „Frais“ oder „Fraiß“ eine Bezeichnung für bestimmte Krankheiten war, die Krämpfe und Fieber auslösen konnten. Diese konnten für Kinder, aber auch für alte Menschen tödlich enden.

Als Schutz und zur Abwehr trugen Kinder im 19. Jahrhundert sogenannte „Fraisenketten“ und die Eltern verlasen über ihnen den Frais-Brief, ein Dokument, das sowohl die Krankheit, als auch Dämonen und alles Negative abwehren sollten.

Interessant finde ich, dass Kinder in vielen Ländern teilweise bis heute schützende Ketten und Amulette tragen. In Italien gilt bis heute ein Kettchen aus roten Korallen als beschützend. Im Senegal ist es üblich, Kleinkindern ein kleines Amulett, indem meist auch ein „Schutzbrief“ steckt, anzuhängen.

Ich freue mich, über Umwege wieder etwas Interessantes erfahren zu haben. Das Heimatmuseum in Simbach kann ich auch nur wärmstens empfehlen, es ist sehr professionell und umfangreich gestaltet. Es gibt viel Info über die Zeit der Industrialisierung, aber eben auch über Volksglauben. Tier-Votive aus Eisen zum Schutz von Vieh und Pferden haben mich besonders berührt: Ich finde, sie erinnern an Kunstwerke Giacomettis, der sich ja auch von der Kunst der Etrusker hat inspirieren lassen.

Eisen-Votiv-Tiere 19. Jh. im Heimatmuseum Simbach am Inn
Eiserne Votivtiere zum Schutz von Vieh und Pferden – Heimatmuseum Simbach am Inn
Sehr zu empfehlen: Das Heimatmuseum in der Innstraße in Simbach am Inn

Das Buch, das ich oben erwähne ist aus der Schriftenreihe des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege – Nr. 6 „Der Vierseithof des Mittermayr zu Riedertsham“, Autor: Mathias Ueblacker