
„Das sind echte Kunstwerke“ Oides Glumb oder Kunst?
EIN FAST VERGESSENES BAUERNMUSEUM
Großgewachsen und stämmig kommt uns der 63-jährige Landwirt Albert Huber entgegen. Er lächelt sympathisch und lädt uns ein auf eine Reise in die Vergangenheit. Vor wenigen Tagen nahm er spontan mit uns Kontakt auf: als er die Ausstellung über Landschaft und Natur im Artrium sah, verstand er, dass wir uns als begeisterte Wahl-Rottaler auch für alte Höfe begeistern.
EIN ROTTALER VIERSEITHOF
So ein Rottaler Vierseithof ist schon eine Welt für sich: schließt man beide Tore, wirkt der Innenhof wie ein Ort der Ruhe und Abgeschiedenheit. Die Sonne scheint auf die hohen Holzstapel unter dem Stadldach: Huber ist auch Waldbesitzer. In der Mitte steht ein bunter Taubenkobel. Durch das ganze Anwesen, auch durch die hölzernen Wände der Stadel weht duftende Frühlingsluft. Rauchschwalben flitzen ununterbrochen aus den Stallfenstern. Auf dem Dach hüpfen Hausrotschwänze. Die tiefe Stille wird nur vom Gesang der Vögel und dem Klappern der Ratschen unterbrochen: Es ist Karfreitag. Wir sind auf dem Niedermaierhof in Bleichenbach (einem Ortsteil von Bad Birnbach) in Niederbayern.
Das Anwesen, dessen Urkunden der Eigentümer bis ins Jahr 1780 zurückverfolgen konnte, hat sein Vater 1936 vom damaligen Bürgermeister von Asenham, Georg Brummer, erstanden. Das Wohnhaus wurde in den 50er Jahren neu erbaut; der Stall und Teile des Stadels sind noch im Originalzustand.
Der ehemalige Rossstall, in dem sich etliche Schwalbennester befinden, mutet mit seinen Granitsäulen und Gewölben so schön und feierlich an wie eine romanische Kirche. Bis vor wenigen Jahren stand darin noch bayerisches Fleckvieh.
An der Wand stehen ein alter Leiterwagen und eine Getreidereinigungsmaschine aus dem Jahr 1840.
Neben dem Stall führt eine Treppe hinauf in den riesigen Stadel. An der Wand hängen etliche Kummete für Pferde und Ochsen, auch ein kleines, das „Ochsenbüffel“ genannt wurde.

DIE VERGANGENHEIT LEBT
Wie Fahnen wehen hundert Getreidesäcke unter dem Scheunendach. Auf jedem ist der Name eines Bauern und eine Jahreszahl aufgedruckt. Hier und da auch eine Zeichnung, ein trabendes Pferd. Und so erinnern diese Säcke an leinerne Familienwappen, die ihre Geschichte erzählen. Vor Jahren gab Albert Huber eine Anzeige in der PNP auf: „Alter Sack gesucht“. So kam er zu seiner heutigen Sammlung. Der älteste Getreidesack stammt von 1838. Aus 1840 stammt ein Sack von „Michel Mayr, Holzham“. Insgesamt hat Alber Huber ca. 100 alte Getreidesäcke gesammelt.
Im hohen luftigen Stadel sind tausende von Objekten nach Themenbereichen ausgestellt. Gepflegt und alle noch funktionstüchtig, reihen sich unendlich viele Gerätschaften aneinander. Hier seien nur einige aufgeführt: ein 200 Jahre alter Häufelpflug, Kleegeigen, Wagen, die ehemals von Ziegen gezogen wurden, „Radltragen“, auf die Heu geladen wurde, Winden, bei denen man mit Hebelwirkung ganze Holzhäuser in die Höhe heben konnte, während man die Grundmauern erneuerte, ein „Strohwolf“, der mit rasender Geschwindigkeit Stroh häckselte; Heugabeln, alte Radios, Nähmaschinen, Schnapsfässer, Schnapsbrennmaschinen, Kutschen, Geräte zur Flachsverarbeitung, Handbuttermaschinen, die erste Miele Waschmaschine, alte Traktoren und Bulldogs, Bügeleisen, alter Imkerbedarf, Tischlerwerkzeug, Kartoffel- und Getreideanbaugeräte, Hand- und modernere Dreschmaschinen und vieles, vieles mehr.
Huber erläutert die Besonderheit von Rottaler Sensen, erklärt die Funktionsweise jeder Maschine, dreht an Rädern und Kurbeln, lässt alte Geräte rattern. Auf diese Weise ersteht die Vergangenheit neu. Untergegangene Zeiten werden wieder lebendig, wenn er liebevoll seine Hände über die alten Geräte streichen lässt, deren Funktion er anhand von Skizzen aus alten Büchern wieder hergestellt hat. Die Exponate sind vornehmlich aus dem Rottal, aber auch aus anderen Gegenden Niederbayerns.
Er weist anhand einer alten Urkunde auf den früheren „Landwirtschaftlichen Verein“ hin, der wohl bedeutender als der heutige Bauernverband war, und auch an der Gründung des Oktoberfestes 1810 beteiligt gewesen sein soll.
Hinter dem Hof sammelt er Granitsäulen, Kapitelle, Tröge, Torbögen, Fensterelemente, die er vornehmlich im Bayerischen Wald von alten Höfen, die abgerissen werden, holt.
Dabei wird Huber auch nachdenklich: „Alles Handarbeit, da muss man sich einmal vorstellen, was das für ein Können erfordert hat. Eine Kunst, die ausstirbt“. Auch als er eine Maschine beschreibt, die Knochen zu Hühnerfutter zerbröselt, kommt er ins Philosophieren: „Da hat man alles wieder verwertet. Heute schmeißen wir jedes Jahr Millionen Tonnen Lebensmittel fort.“

LIEBE ZU HANDWERK UND TIEREN
Rührend sind nicht nur seine Hingabe und Liebe zum Handwerk, sondern auch seine Tierliebe: Seit kurzem hält er eine kleine Herde von Kamerunschafen. Für die Turmfalken hat er oben im Stadel einen Nistkasten angebracht, der zu einer erfolgreichen Brut geführt hat. Um ihn summen Bienen: „Mein Vater war leidenschaftlicher Imker“, so Huber. Er halte nur noch ein Volk. Dann zeigt er ein Hornissennest: ausgerechnet im alten Toilettenhäuschen hatten sie ihr Nest gebaut.
Nicht alle haben Verständnis für die Sammelleidenschaft von Bauer Huber: „Der sammelt a Haufen Glumb“, sagen die Menschen in der Gegend. .
Ein bisschen traurig ist Huber darüber, dass er seinen Hof und seine Schätze bisher der Öffentlichkeit nicht als „privates Museum“ allgemein zugänglich machen konnte. Wird es ihm in Zukunft gelingen? Wir hoffen es! Eine solche Vielfalt alter Bauerngeräte auf einem alten Vierseithof braucht sich vor den Sammlungen in Massing oder Finsterau wahrlich nicht zu verstecken. Touristen und Kurgäste wären sicherlich begeistert, so etwas gewissermaßen „vor der Haustür“ zu finden.
Es ist allerdings jetzt schon möglich, eine private Besichtigung telefonisch zu vereinbaren. Im monatlichen „Bad Birnbacher KulturSpatz“ findet man das „Bauernmuseum Niedermaier“ in der Rubrik „Kultur, Sport, Freizeit & Erholung“.
Ohne Menschen wie Bauer Huber, die mit Leidenschaft und Hartnäckigkeit altes Kulturgut sammeln, renovieren und erhalten, werden kommende Generationen das Wissen um die Vorfahren gänzlich verlieren und in einer globalisierten Welt keinen Zugang zu ihren Wurzeln mehr finden.
In einer zunehmend industrialisierten und digitalisierten Welt sehnen sich heute viele Menschen nach alten Bräuchen und Dingen, die an vorangegangene Generationen und ihre untergegangene Welt erinnern. Sie strömen in Massen in Freilichtmuseen, Kinder stehen mit offenem Mund vor den Dingen, die ihre Urgroßväter noch in die Hand nahmen.
Auch die PNP berichtete vor einigen Jahren über das Bauernmuseum Huber: https://www.pnp.de/lokales/landkreis_rottal_inn/pfarrkirchen/1185701_Zeugen-einer-laengst-vergangenen-Zeit.html
ein herzerwärmender Bericht, sehr einfühlend und informativ geschrieben und doumentiert. Dank sei dem Herrn Huber für all die Liebe und Müh!
LikeGefällt 1 Person
Vielen Dank, liebe Gerda! Wir waren begeistert von der Leidenschaft des Bauern Huber. Er hat uns wirklich eine bäuerliche Vergangenheit nahe gebracht, die bis vor 50 Jahren eigentlich noch zur Realität vieler europäischer Länder gehörte. Und seine Tierliebe hat mich auch bewegt. Ich hoffe, dass er es schafft, diese bürokratischen Hindernisse aus der Welt zu schaffen und vielen Menschen seine Kleinode zu zeigen.
LikeGefällt 1 Person
Danke fürs Mitnehmen in eine Zeit, die man wohl die gute alte Zeit nennen möchte, wir wollen hoffen, das es auch so war. Aber insgeheim wissen wir, das viel Schweiß und harte Lebensbedingungen damit verknüpft sind. Umso mehr freut es dann, das es jemand gibt, der die Erinnerung wach hält. Liebe Grüße und ein heiteres Osterfest wünscht Marie
LikeGefällt 2 Personen
Danke für dein Interesse, Marie. Natürlich war es ein anstrengendes Leben. Heute ist es anders, aber auch anstrengend. Ich habe eine Zeitlang in Italien in der Landwirtschaft gearbeitet und habe diese körperliche Anstrengung geliebt. Klar war es auch „Luxus“, weil selbst gewählt. Ich denke, dass diese Arbeit auch zufrieden machen konnte, solange man sich nicht bis ins hohe Alter zu Tode schuften musste.
Ich muss oft darüber nachdenken, dass heute Rückenschmerzen eine Volkskrankheit sind, obwohl wir nicht mehr „im Schweiße unseres Angesichts“ unser Brot verdienen müssen.
Lieben Gruß zurück, Nadia
LikeGefällt 1 Person
Bemerkenswert ! Ich hoffe dass er bald die nötigen Erlaubnisse bekomt !
Hier in Frankreich gibt es viele solche kleine „privat Museen“ auf dem Land.
Die Behörden sind hier nicht so „Amtlich“ für Privat Initiativen !
LikeGefällt 2 Personen
Merci, Charles. Ja, wir hoffen es auch, aber leider gelten hier auch für engagierte „Private“ viel zu viele Regeln und Bürokratie.
LikeLike
Dieses Museum ist grandios, ein Besuch absolut empfehlenswert. Man kann die überraschend zahlreichen Exponate aus nächster Nähe betrachten. Albert erzählt viele interessante Geschichten, er weiß um Zweck, Verwendung und Funktion aller seiner Maschinen und Gerätschaften, er ist in seiner offenen, freundlich umgänglichen Art um keine Antwort verlegen. Man staunt über den Erfindungsreichtum unserer Vorfahren, die mit oft einfachsten Mitteln Erstaunliches zuwege brachten und sich stets bestens zu helfen wußten. Gerade die Einfachheit und das auf das Notwendige Reduzierte beeindruckt zutiefst. Ich bin im Rottal geboren und selbst in einer kleinbäuerlichen Familie aufgewachsen, das Vergangene ist greifbar auf diesem Hof.
LikeGefällt 1 Person
Liebe Helga, ich freue mich sehr, dass du als „Ur-Rottalerin“ zu diesem Bericht gefunden hast und das Museum kennst und liebst. Ja, Albert Huber ist wirklich ein interessanter Mensch; seine Begeisterung ist einfach ansteckend. Und genau diese Gedanken hatte ich auch, nämlich wie genial die Erfindungen der Älteren waren. Leider ist dieses tolle Bauernmuseum nicht bekannt genug, auch gibt es anscheinend noch bürokratische Hürden…Sehr schade. Eigentlich müsste es gefördert werden. Hoffentlich finden trotzdem viele Interessierte den Weg zu dieser Schatzkammer. Einen lieben Gruß von einer „Neu-Rottalerin“.
LikeLike
Pingback: Es war einmal…- Alte Kutschen | Art blog - Nadia Baumgart