Danke, Albert Huber! Was für ein Glück, dass wir so nah ein Bauernhofmuseum haben! In unserer globalisierten und automatisierten Welt fällt es uns allen – insbesondere Kindern – schwer, Orientierung und Wurzeln zu finden. Doch ich bin überzeugt: Ein echtes Gefühl von „Dahoam“ entsteht erst, wenn man sich für die Geschichte seiner Umgebung interessiert und sich vorstellen kann, „wie es früher war“. Es ist bequem, Lebensmittel schnell im Supermarkt zu kaufen. Doch viele Kinder wissen nicht mehr, woher Milch und Mehl stammen – oder welcher Vogel da oben im Baum singt.
Das Bauernhofmuseum liegt in Bleichenbach 7 in Bad Birnbach. Wer es besichtigen möchte, sollte sich vorher anmelden: 08563 3920.
Im Rossstall steht ein 85jähriger Bulldog
Also nichts wie hin ins Bauernhofmuseum in Bleichenbach bei Bad Birnbach! Gemeinsam mit Margarita, Lilia und mehreren Kindern haben wir uns auf dem großen Vierseithof getroffen und erst einmal Tuchfühlung aufgenommen – mit den Bulldogs und den „Schwaiberln“ in dem wunderschönen alten Rossstall mit seinen Granitsäulen und dem beeindruckenden Gewölbe. Gerade für „Zugezogene“, egal woher, ist es ja besonders wertvoll und schön, die Vergangenheit dieser Region zu verstehen.
Granitsäulen im Rossstall
Und dann ging es los. Wie war das Leben hier noch vor wenigen Jahrzehnten – oder vor dem Krieg? Welche Geräte nutzte man zum Säen? Wie unterscheidet sich ein Ochsenkummet von einem Pferdekummet? Was genau ist eine Kleegeige? Wie sehen 200 Jahre alte Getreidesäcke aus? Wusstet Ihr, dass die Automobilindustrie größtenteils aus der Entwicklung landwirtschaftlicher Geräte hervorgegangen ist? Oder dass Mercedes einst nicht nur Autos, sondern auch Schreibmaschinen produzierte? Seid ihr schon einmal in eine Kutsche gestiegen, die vor über 100 Jahren als Taxi in Salzburg diente? Habt ihr schon einmal eine „Stiftendreschmaschine“ mit Handkurbel gesehen? Da standen sie vor uns – Baujahr 1870 – und erzählten ihre eigene Geschichte, eine Geschichte von Arbeit und Körperkraft. So war es schon immer, so hat man jahrhundertelang Getreide gedroschen. Heute haben wir es vergessen.
Alte landwirtschaftliche Geräte
Dies war mein dritter Besuch in diesem faszinierenden Museum. Und jedes Mal entdecke ich neue Lieblingsstücke. Diesmal waren es die „kleinen Dinge“:
– Das einfache und dennoch elegante Design einer Universalpumpe
– Die Mercedes-Schreibmaschine
– Die Kleegeige – Die kannte ich zwar schon, doch jetzt verstehe ich erst richtig, wie sie funktioniert.
Zum Schluss sagte Albert Huber etwas, das mich nachdenklich machte: „Es ist unglaublich, mit welch einfachen Mitteln sich die Menschen damals zu helfen wussten.“ Ja, heute sind wir „digital vernetzt“, nutzen KI, brauchen immer mehr Strom – und werden dabei zunehmend passiver, dachte ich.
Doch was mich richtig glücklich machte? Der spontane Ausruf eines Kindes, als die Führung zu Ende war: „Schade!!“
Das Bauernhofmuseum in Bleichenbach bei Bad Birnbach bietet Besuchern, auch Kindern, die Möglichkeit, sich mit der Geschichte der Landwirtschaft vertraut zu machen. Durch historische Geräte und Führungen wird das Leben früherer Generationen lebendig. Der Besuch regt zum Nachdenken über den Wandel in der Gesellschaft und der Landwirtschaft an.
Neue alte Kutschen: Zwei Victoria-Kutschen in Bleichenbach
Heute waren wir in der Nähe des Hofes von Albert Huber, um nach „Schwaiberl“ zu schauen. Herr Huber kam uns entgegen und erlaubte uns freundlicherweise, seine „Neuzugänge“ zu bewundern. Über das Bauernmuseum in Bleichenbach hatte ich 2019 bereits berichtet (Link siehe unten)
Es handelt sich um vier gewaltig schöne Kutschen und einen Bulldog. Zwei Viktoria-Kutschen, Baujahr um 1890. „Das war was für bessere Leit!“, so Herr Huber. Dann einen Landauer, ganz edel von innen beleuchtet. Und ein ehemaliges „Taxi“, eine Salzburger Chaise-Kutsche. Der Landauer mit den roten Rädern ähnelt übrigens sehr demjenigen aus den „Sissi-Filmen“
Zuletzt durften wir noch einen Bulldog bewundern, der in diesem Jahr stolze 80 Jahre alt wurde.
Beim Anblick der alten Fahrzeuge wurde uns bewusst, wie schwindelerregend rasch sich die Welt seit in den letzten hundert Jahren verändert hat. Gott sei Dank gibt es noch einige Menschen, die solche Objekte auch für die Nachwelt erhalten.
Bauer Albert Huber hat in seinem Vierseithof ein beeindruckendes Bauernhausmuseum eingerichtet.
„Das sind echte Kunstwerke“ Oides Glumb oder Kunst?
EIN FAST VERGESSENES BAUERNMUSEUM
Großgewachsen und stämmig kommt uns der 63-jährige Landwirt Albert Huber entgegen. Er lächelt sympathisch und lädt uns ein auf eine Reise in die Vergangenheit. Vor wenigen Tagen nahm er spontan mit uns Kontakt auf: als er die Ausstellung über Landschaft und Natur im Artrium sah, verstand er, dass wir uns als begeisterte Wahl-Rottaler auch für alte Höfe begeistern. Das Bauernhausmuseum liegt im Hof in Bleichenbach 7 in Bad Birnbach. Wer es besichtigen möchte, sollte sich vorher anmelden: 08563 3920
EIN ROTTALER VIERSEITHOF
So ein Rottaler Vierseithof ist schon eine Welt für sich: schließt man beide Tore, wirkt der Innenhof wie ein Ort der Ruhe und Abgeschiedenheit. Die Sonne scheint auf die hohen Holzstapel unter dem Stadldach: Huber ist auch Waldbesitzer. In der Mitte steht ein bunter Taubenkobel. Durch das ganze Anwesen, auch durch die hölzernen Wände der Stadel weht duftende Frühlingsluft. Rauchschwalben flitzen ununterbrochen aus den Stallfenstern. Auf dem Dach hüpfen Hausrotschwänze. Die tiefe Stille wird nur vom Gesang der Vögel und dem Klappern der Ratschen unterbrochen: Es ist Karfreitag. Wir sind auf dem Niedermaierhof in Bleichenbach 7 (einem Ortsteil von Bad Birnbach) in Niederbayern.
Das Anwesen, dessen Urkunden der Eigentümer bis ins Jahr 1780 zurückverfolgen konnte, hat sein Vater 1936 vom damaligen Bürgermeister von Asenham, Georg Brummer, erstanden. Das Wohnhaus wurde in den 50er Jahren neu erbaut; der Stall und Teile des Stadels sind noch im Originalzustand.
Der ehemalige Rossstall, in dem sich etliche Schwalbennester befinden, mutet mit seinen Granitsäulen und Gewölben so schön und feierlich an wie eine romanische Kirche. Bis vor wenigen Jahren stand darin noch bayerisches Fleckvieh.
An der Wand stehen ein alter Leiterwagen und eine Getreidereinigungsmaschine
aus dem Jahr 1840.
Neben dem Stall führt eine Treppe hinauf in den riesigen Stadel. An der Wand hängen etliche Kummete für Pferde und Ochsen, auch ein kleines, das „Ochsenbüffel“ genannt wurde.
Der Innenhof eines Vierseithofs ist eine Welt für sich – Hier im Bauernhausmuseum von Albert Huber – Bleichenbach
DIE VERGANGENHEIT LEBT
Wie Fahnen wehen hundert Getreidesäcke unter dem Scheunendach. Auf jedem ist der Name eines Bauern und eine Jahreszahl aufgedruckt. Hier und da auch eine Zeichnung, ein trabendes Pferd. Und so erinnern diese Säcke an leinerne Familienwappen, die ihre Geschichte erzählen. Vor Jahren gab Albert Huber eine Anzeige in der PNP auf: „Alter Sack gesucht“. So kam er zu seiner heutigen Sammlung. Der älteste Getreidesack stammt von 1838. Aus 1840 stammt ein Sack von „Michel Mayr, Holzham“. Insgesamt hat Alber Huber ca. 100 alte Getreidesäcke gesammelt.
Im hohen luftigen Stadel sind tausende von Objekten nach Themenbereichen ausgestellt. Gepflegt und alle noch funktionstüchtig, reihen sich unendlich viele Gerätschaften aneinander. Hier seien nur einige aufgeführt: ein 200 Jahre alter Häufelpflug, Kleegeigen, Wagen, die ehemals von Ziegen gezogen wurden, „Radltragen“, auf die Heu geladen wurde, Winden, bei denen man mit Hebelwirkung ganze Holzhäuser in die Höhe heben konnte, während man die Grundmauern erneuerte, ein „Strohwolf“, der mit rasender Geschwindigkeit Stroh häckselte; Heugabeln, alte Radios, Nähmaschinen, Schnapsfässer, Schnapsbrennmaschinen, Kutschen, Geräte zur Flachsverarbeitung, Handbuttermaschinen, die erste Miele Waschmaschine, alte Traktoren und Bulldogs, Bügeleisen, alter Imkerbedarf, Tischlerwerkzeug, Kartoffel- und Getreideanbaugeräte, Hand- und modernere Dreschmaschinen und vieles, vieles mehr.
Huber erläutert die Besonderheit von Rottaler Sensen, erklärt die Funktionsweise jeder Maschine, dreht an Rädern und Kurbeln, lässt alte Geräte rattern. Auf diese Weise ersteht die Vergangenheit neu. Untergegangene Zeiten werden wieder lebendig, wenn er liebevoll seine Hände über die alten Geräte streichen lässt, deren Funktion er anhand von Skizzen aus alten Büchern wieder hergestellt hat. Die Exponate sind vornehmlich aus dem Rottal, aber auch aus anderen Gegenden Niederbayerns.
Er weist anhand einer alten Urkunde auf den früheren „Landwirtschaftlichen Verein“ hin, der wohl bedeutender als der heutige Bauernverband war, und auch an der Gründung des Oktoberfestes 1810 beteiligt gewesen sein soll.
Hinter dem Hof sammelt er Granitsäulen, Kapitelle, Tröge, Torbögen, Fensterelemente, die er vornehmlich im Bayerischen Wald von alten Höfen, die abgerissen werden, holt.
Dabei wird Huber auch nachdenklich: „Alles Handarbeit, da muss man sich einmal vorstellen, was das für ein Können erfordert hat. Eine Kunst, die ausstirbt“. Auch als er eine Maschine beschreibt, die Knochen zu Hühnerfutter zerbröselt, kommt er ins Philosophieren: „Da hat man alles wieder verwertet. Heute schmeißen wir jedes Jahr Millionen Tonnen Lebensmittel fort.“
Buttergefäße im Bauernhofmuseum in Bleichenbach
LIEBE ZU HANDWERK UND TIEREN
Rührend sind nicht nur seine Hingabe und Liebe zum Handwerk, sondern auch seine Tierliebe: Seit kurzem hält er eine kleine Herde von Kamerunschafen. Für die Turmfalken hat er oben im Stadel einen Nistkasten angebracht, der zu einer erfolgreichen Brut geführt hat. Um ihn summen Bienen: „Mein Vater war leidenschaftlicher Imker“, so Huber. Er halte nur noch ein Volk. Dann zeigt er ein Hornissennest: ausgerechnet im alten Toilettenhäuschen hatten sie ihr Nest gebaut.
Nicht alle haben Verständnis für die Sammelleidenschaft von
Bauer Huber: „Der sammelt a Haufen Glumb“, sagen die Menschen in der Gegend. .
Ein bisschen traurig ist Huber darüber, dass er seinen Hof und seine Schätze bisher der Öffentlichkeit nicht als „privates Museum“ allgemein zugänglich machen konnte. Wird es ihm in Zukunft gelingen? Wir hoffen es! Eine solche Vielfalt alter Bauerngeräte auf einem alten Vierseithof braucht sich vor den Sammlungen in Massing oder Finsterau wahrlich nicht zu verstecken. Touristen und Kurgäste wären sicherlich begeistert, so etwas gewissermaßen „vor der Haustür“ zu finden.
Es ist allerdings möglich, jederzeit eine private Besichtigung telefonisch zu vereinbaren: Tel.08563 3920
Ohne Menschen wie Bauer Huber, die mit Leidenschaft und
Hartnäckigkeit altes Kulturgut sammeln, renovieren und erhalten, werden
kommende Generationen das Wissen um die Vorfahren gänzlich verlieren und in einer
globalisierten Welt keinen Zugang zu ihren Wurzeln mehr finden.
In einer zunehmend industrialisierten und digitalisierten Welt sehnen sich heute viele Menschen nach alten Bräuchen und Dingen, die an vorangegangene Generationen und ihre untergegangene Welt erinnern. Sie strömen in Massen in Freilichtmuseen, Kinder stehen mit offenem Mund vor den Dingen, die ihre Urgroßväter noch in die Hand nahmen.