Heimatgeschichten – Schwierige Schicksale

Ein gehörloser junger Mann im 19. Jahrhundert

Vor einiger Zeit hatte ich angefangen, in digitalisierten Zeitungsarchiven nach „Heimatgeschichten“ zu suchen, in denen Birnbach vorkommt, diese mit Kommentaren zu versehen und zu illustrieren. Nach den Themen „Bahnverspätung 1901“ und „Eine lokale Kriminalgeschichte aus fernen Zeiten – 1847“ möchte ich heute eine Meldung des Königlich-bayerischen Kreis-Amtsblatt der Oberpfalz und von Regensburg vom 11.05.1872 näher betrachten.

Hier geht es um einen taubstummen jungen Mann, der in Birnbach aufgegriffen wurde. Dank der Beschreibung können wir die Person regelrecht „sehen“, als würde sie vor uns stehen. Vorab möchte ich darauf hinweisen, dass der Begriff „Taubstummheit“ und das Wort „taubstumm“ heute aufgrund der historischen Diskriminierung Gehörloser als veraltet gelten. Ein wertneutraler Begriff im deutschsprachigen Raum ist „gehörlos“.

Im Königlich-Bayerischen Kreis-Amtsblatt erschien also am 11. Mai 1872 folgende Meldung:

„Am 3. April 1872 wurde in Birnbach, Bezirksamt Grießbach, die unten näher beschriebene Mannsperson wegen Bettels aufgegriffen, welche teubstumm ist und sich in keiner Weise verständlich machen kann. Die bisher gepflogenen Heimaths-Recherchen waren erfolglos. Die obengenannten Behörden werden beauftragt, nach Namen, Stand und Heimath der fraglichen Person geeignet Nachforschungen einzuleiten und ein sachdienliches Ergebniß sofort dem k. Bezirksamt Griesbach mitzutheilen.

Regensburg den 2. Mai 1872.

Königl. Regierung der Oberpfalz und von Regensburg, Kammer des Innern. Von Pracher, Präsident.

Signalement: Alter: 22-23 Jahre alt, Größe: 5‘ 10‘‘, Haare braun. Stirne nieder, Nase breit, Mund geregelt, Kinn spitzig. Bart blond (kleiner Anflug), Zähne gut. Besondere Kennzeichen: ohne.

Kleidung: Alten grauen Hut, einen leinenen alten Spenser[1] mit gelb gedruckten Blümchen versehen schon ziemlich stark mit wollenen Flecken geflickt und mit gelb messingenen und schwarzbeinenen Knöpfen besetzt; eine alte, blaue, rupferne Hose, schon stark geflickt; eine alte, wollene Weste, lange, alte, zerrissene Wadenstiefel, Hemd keines.“

Diese genaue Personenbeschreibung hilft, sich diesen Menschen vorzustellen. Aber es keimen auch viele Fragen auf. War der bettelnde junge Mann der Sohn eines Tagelöhners, eines Handwerkers oder eines Bauern? War er mit dem Gesetz in Konflikt geraten? Und wie sah eigentlich die Lebenssituation der Gehörlosen in dieser Zeit aus?

Zwar waren „Taubstumme“ die erste Behindertengruppe in Bayern, denen eine spezielle Förderung zuteil wurde. Seit 1817 sollte jede bayerische Kreishauptstadt über eine Taubstummenanstalt verfügen und es gab längst Taubstummen-Vereine. Allerdings sah die Situation auf dem Lande ganz anders aus. Immer wieder wurden in den Amtsblättern „unbekannte Taubstumme“ gesucht, nämlich nicht identifizierbare gehörlose Landstreicher und Bettler.

„Demgegenüber stehen „unbekannte Taubstumme“ (S. 124–143), zu denen gehörlose Landstreicher und Bettler gehörten, deren Identitätsfeststellung nach einer Verhaftung in Bayern nicht glückte.“ (Quelle: H-Soz-Kult – Fachinformationsangebote des Vereins Clio-online – Historisches Fachinformationssystem e.V.)

Man kann sich vorstellen, dass der beschriebene junge Mann kein leichtes Leben hatte. Wie es mit ihm weiterging, darauf gibt es keine Hinweise.

Dafür findet sich eine Mitteilung über einen weiteren „Taubstummen“ in Birnbach in einem etwas früheren Artikel des Königlich-Bayerisches Kreis-Amtsblatts von Oberbayern vom 4. Juli 1868. Hier geht es um ein gehörloses Kind:

„Einen in Birnbach aufgegriffenen taubstummen Knaben betreffend.

Da die von der unterfertigten Stelle unterm 6. August 1867 angeordneten Recherchen bemerkten Betreffs […] bisher erfolglos geblieben sind, so werden die sämtlichen Distriktpolizeibehörden angewiesen, die Nachforschungen nach der Herkunft des dort beschriebenen Knaben neuerdings aufzunehmen, sorgfältig zu verfolgen und die etwaigen Ergebnisse dem Bezirksgerichte Griesbach mitzutheilen.“

Hier habe ich mich gefragt, ob dieses Kind vielleicht sogar von seinen Eltern ausgesetzt worden war. Möglicherweise war es gar ein Waisenkind.


[1] Als Spenzer wird eine eng anliegende, taillenkurze Jacke für Damen und Herren bezeichnet. In früheren Epochen und noch heute bei Trachten wird der Begriff auch allgemein für Jacken verwendet. (Quelle: Wikipedia)

Quellen:

Königlich-bayerisches Kreis-Amtsblatt der Oberpfalz und von Regensburg (Königlich bayerisches Intelligenzblatt für die Oberpfalz und von Regensburg) 11.05.1872

Königlich-bayerisches Kreis-Amtsblatt von Oberbayern vom 4. Juli 1868

Unsere Natur im März – Bad Birnbach – Frühlingsgefühle

Die März-Ausgabe des Bad Birnbacher Kulturspatz ist nun erschienen. Hier der Text zur Natur im März bei uns in der Gegend. Und wie immer zeige ich auch noch schöne Naturfotos, die ich in den vergangenen Jahren im Vorfrühling in Bad Birnbach und Umgebung gemacht habe.

Unsere heimische Natur ist immer spannend!

Kulturspatz Bad Birnbach Natur
Rubrik „Naturbeobachtung“ im Bad Birnbacher Kulturspatz
Kiebitze an der Rott in Bad Birnbach – März 2022

Unsere Natur im März: Frühlingsgefühle

Nach einem kalten Winter ist der Frühlingsanfang eine große Freude! Jetzt geht es lebhaft zu in der Vogelwelt. Überall hört man Vogelgesang. Wer nistet mit wem und wo, scheint die zu klärende Frage zu sein. Einige Kiebitze kommen jetzt wieder und bilden Paare. Andere schwärmen noch mit vielen Staren zurück und wollen möglichst schnell in ihre Brutgebiete, um dort ihre Reviere zu belegen. Der Kiebitz ist ein besonders eleganter Bodenbrüter, ein selten gewordener Dandy im metallisch grün-grau schimmernden Frack.

Auch die Störche sind unterwegs. Ob die Birnbacher Störche schon angefangen haben zu brüten? Meist geht es im März los, zunächst üben sie einfach etwas. Das Nest wird noch mit Hingabe ausgebessert. Ansonsten steht man herum, gähnt und macht sich schön. Schließlich muss man sicher gehen, dass die Nebenbuhler, die letztes Jahr aufgetaucht sind und wohl in den nächsten Wochen aus dem Süden zurückkommen, nicht auf die Idee kommen, den schönen Wohnort auf dem Brauereikamin zu besetzen. Zwischendurch fliegen sie mal schnell in der Nähe „einkaufen“, bzw. Schnecken, Käfer, Maulwürfe und Frösche fangen. Denn sie ernähren sich ausschließlich von „regionalen Produkten“.

Im Kurpark und an der Rott hüpfen Buchfink, Rotkehlchen und Goldammer umher. Wenn wir das Glück haben, einer Singdrossel zu begegnen, sollten wir ihrem Konzert lauschen; hier schenkt uns die Natur regelrechte Opernarien. Selbst die ersten Schmetterlinge zeigen sich endlich! Und es fängt an zu blühen: Huflattich und Sumpfdotterblumen machen der Sonne Konkurrenz. Veilchen, Primeln, Schlüsselblumen gesellen sich dazu.

Jedenfalls begegnen wir nun immer mehr Naturwundern und Wildtieren. Auch verliebte Feldhasen sind mit etwas Glück zu beobachten.

Bad Birnbacher Störche arbeiten am Nachwuchs – März 2023
Goldregenpfeifer (Pluvialis apricaria) auf der Rast auf einem Rottaler Acker. Der Goldregenpfeifer brütet in Hochmooren und Sümpfen und in der Tundra in Nordeuropa. In Mitteleuropa, Großbritannien und Nordeuropa gehen die Bestände seit längerem drastisch zurück.
Ein hübscher Rottaler Rehbock
Waldwasserläufer (Tringa ochropus) Der dämmerungsaktive Waldwasserläufer wippt ständig mit dem Schwanz und beim Auffliegen oder auf dem Zug ist der Ruf ein lautes »PLÜit-tuit-tuit«. Er ernährt sich von Wasserinsekten, Krebstieren und auch kleinen Fischen.

Birds – Impressions de la journée

1-Buntspecht-Foto-Nadia-Baumgart2-Zwergspecht-Foto-Nadia-Baumgart3-Rottal-Foto-Nadia-Baumgart4-Kernbeisser-Foto-Nadia-Baumgart5-Kohlmeise-Rottal-Foto-Nadia-Baumgart6-Elstern-Foto-Nadia-Baumgart

Heute hatten wir das Glück, sowohl einen Buntspecht (1. Foto) als auch einen Zwergspecht (2. Foto) zu sehen…

Nous avons eu la chance de voir un pic épeiche et un pic nain (picumne) dans le même arbre…