Frei – Libre

Ein Vogel sitzt auf einem Wegweiser im Nationalpark Bayerischer Wald und hält ein Insekt im Schnabel.
Grauschnäpper im Nationalpark Bayerischer Wald – Moucherolle gris dans le Parc National

Wir verbringen einige Tage im Nationalpark Bayerischer Wald. Gestern sind wir zur „Urwaldtanne“ gegangen. Diese Weißtanne steht im Hans-Watzlik-Hain bei Bayerisch Eisenstein und gilt als Deutschlands höchster und dickster Baum ihrer Art. Ihr Alter wird auf  500-700 Jahre geschätzt. Die Große Waldhaustanne wurde als einer der 100 bedeutendsten Bäume Deutschlands ausgezeichnet und als Nationalerbe-Baum gewürdigt.

Es war beeindruckend, unter ihr zu stehen und ihren Gipfel in schwindelerregender Höhe zu sehen. Die Spitze der Tanne scheint rostrot und ist wohl in Teilen abgestorben; das wurde bereits 2023 dokumentiert. Ein Baumriese, der ganz langsam und in Würde absterben darf, ohne dass die Axt ihn verletzt.

Eine Person steht an einem großen Baumstamm in einem Wald, umgeben von grünen Bäumen und einer Holzplattform.
An ihrem Stamm fühlt man sich geborgen
Information board about the Urwaldtanne, a significant European silver fir tree located in the Bavarian Forest National Park, detailing its national heritage status and importance.
Nationalerbe-Baum

Heute Morgen gab es hier in Zwieslerwaldhaus ein grandioses Konzert von Mönchsgrasmücke, Zilpzalp und Rotschwanz. Kühle Waldluft steigt duftend auf. Ich freue mich auf die heutige Wanderung im tschechischen Teil des Nationalparks.

Ein traditionelles Landhaus inmitten von Bäumen und Wiese im Nationalpark Bayerischer Wald.
Altes Zollhaus
Im Nationalpark Bayerischer Wald

FR:

Nous passons quelques jours dans le parc national de la Forêt Bavaroise. Hier, nous sommes allés voir le « sapin primitif ». Ce sapin blanc se trouve dans la hêtraie Hans-Watzlik près de Bayerisch Eisenstein et est considéré comme le plus haut et le plus gros arbre de son espèce en Allemagne. Son âge est estimé entre 500 et 700 ans. Le Grand sapin de Waldhaus a été désigné comme l’un des 100 arbres les plus remarquables d’Allemagne et reconnu comme arbre du patrimoine national.

C’était impressionnant de se tenir sous lui et d’apercevoir sa cime à une hauteur vertigineuse. La pointe du sapin semble rougeâtre et partiellement morte ; cela avait déjà été documenté en 2023. Un géant végétal qui peut mourir lentement et dignement, sans que la hache ne l’atteigne.

Ce matin, ici à Zwieslerwaldhaus, nous avons eu droit à un magnifique concert de fauvette des jardins, pouillot véloce et rougequeue. L’air frais de la forêt s’élève, empli de parfums. J’ai hâte à la randonnée d’aujourd’hui dans la partie tchèque du parc national.


Die Holzkapelle

Aquarell – Watercolorpainting – Kapelle im Wald

Der uralte Zauberwald – Die Lugenz im Wandel 

Abgeholzter Bereich des Waldes mit liegenden Baumstümpfen und verbleibenden Bäumen im Hintergrund unter blauem Himmel.
Borkenkäferbefall in der Lugenz führte zu Kahlschlägen 2019/2020

Nicht nur wir Menschen haben eine Geschichte – auch die Natur, insbesondere von uns geprägte Kulturlandschaften, unterliegen einem stetigen Wandel. Der Wald verändert sich fortlaufend, oft schneller, als wir es erwarten. 

Ein Wanderer auf einem Schotterweg, umgeben von üppigem Grün und jungen Bäumen in einem Waldgebiet.
Dieselbe Fläche in der Lugenz im Juni 2025

Wie rasch sich ein Naturwald selbst regenerieren kann, selbst nach einem massiven Borkenkäferbefall, habe ich persönlich erlebt. Oben ist eines meiner Fotos aus den Jahren 2019/2020, das einen Kahlschlag in der Lugenz zeigt – und zum Vergleich dieselbe Fläche im Juni 2025. Auf den einst gerodeten Flächen sprießen nun junge Birken und Büsche, die Schatten für nachkommende Bäume spenden. Dort, wo wenig eingegriffen wurde, hat sich ein dichter Teppich aus Jungbäumen gebildet, darunter viele Laubbäume. In einigen Jahren werden diese Bäume erneut Holz liefern – ein Zeichen dafür, dass die Lugenz immer großzügig mit uns Menschen ist. 

Ein Waldweg führt durch eine gerodete Fläche, auf der gestapelte Baumstämme liegen und kahle Bäume im Hintergrund sichtbar sind.
Borkenkäfer – Abholzung in der Lugenz 2019/2020

Dass die Lugenz schon lange eine bedeutende Ressource für die Region darstellt, belegen nämlich auch historische Zeitungsberichte. Ein Blick in das Archiv von Digipress zeigt eine Passage aus der Passauer Zeitung: Niederbayerische Volkszeitung vom 6. Dezember 1867: 

 „Ortenburg. Seit die Eisenbahn, wie man sagt, „geht“, hat unser Markt einen bedeutenden Aufschwung genommen. Fast alles Getreide aus dem Rottal geht hier durch; und ohne Rast und Ruh die Baumstämme aus der Lugenz und dem Steinkart, der unerschöpflichen Waldung, nebenbei die Bretterfuhrwerke aus der Dampfschneidsäge in Holzham.“ 

Historischer Zeitungsartikel über die Holzernte aus dem Lugenzwald, veröffentlicht in der Passauer Zeitung 1867.
Niederbayerische Volkszeitung vom 6. Dezember 1867

Das rund 600 Hektar große Waldgebiet der Lugenz erstreckt sich über die Höhen des Rottals und birgt geschichtsträchtige Orte – darunter eine historische Holzkapelle und einen Ringwall, der einst als Zufluchtsstätte diente. Ein „Klimapfad“ informiert Besucher über die Auswirkungen des Klimawandels auf den Wald und zeigt, wie sich die Natur an neue Bedingungen anpasst. 

Die Bedeutung des Namens Lugenz wird in der Naturwissenschaftlichen Zeitschrift für Niederbayern (Band 28, 2080) erläutert: 

 „Der Name „Lugenz“ ist im Althochdeutschen zweideutig: *lugo* bedeutet „heiliges Gehölz“, während *log* (luoc) „Versteck, Höhle, Schlucht“ heißt. Man neigt dazu, die zweite Deutung zu akzeptieren, da die unzugänglichen Waldstriche wohl seit jeher den in unsicheren Zeiten bedrängten Bewohnern der Gegend als letzte Zuflucht dienten. Der Ringwall bei Birnbach und der beachtliche Münzenfund vom Geldfundstein im Steinkart sind wohl Beispiele dafür.“

Eine Frau steht auf einem Wanderweg im Wald, umgeben von hohen Bäumen und üppigem Grün, während ein Mann im Hintergrund auf einer Bank sitzt.
Der Lugenz-Wald an der abgeholzten Stelle im Jahr 2025: Alles wächst nach!

Nach dem Borkenkäferbefall 2019/2020 mussten große Flächen abgeholzt werden, wodurch neue Sichtachsen entstanden, die angrenzende Landschaften und Orte wie Bad Griesbach sichtbar machen. Doch dieser scheinbare Verlust birgt eine Chance: Mehr Licht fördert eine artenreichere Waldlandschaft. 

Die Lugenz bleibt ein faszinierender Wald – ein Ort, der sich stetig wandelt und doch seine Geschichte bewahrt. 

Dem Holzbauern schenkt sie seit jeher wertvolles Holz, dem Erholungssuchenden bietet sie heilsame Entspannung, dem Wanderer eröffnet sie abwechslungsreiche Wege, dem Künstler dient sie als Inspirationsquelle.  Und unzähligen Tieren und Pflanzen gewährt sie eine Heimat. 

Darüber hinaus ist der Lugenz-Wald ist lebendiges Ökosystem, das uns wertvolle Einblicke in die Natur ermöglicht. Alte Waldgebiete speichern übrigens CO₂ und Wasser wesentlich besser als jüngere Wälder. Hier lassen sich jahreszeitliche Veränderungen ebenso beobachten wie die direkten Auswirkungen des Klimawandels. 

Skorpionsfliege und Neuntöter: der artenreiche Lugenz-Wald

Ein männlicher Neuntöter sitzt auf einem abgeblätterten Baumstamm vor einem hellblauen Himmel.
Ein Neuntöter späht in der Lugenz nach Beute

Gestern sind wir bei schönstem Frühsommer-Licht in der Lugenz auf die Pirsch gegangen. Der Wald ist nach dem Borkenkäfereinfall vor einigen Jahren lichter geworden, was ihn umso artenreicher macht und blühenden Sträuchern Platz gewährt: Holunder und Brombeere blühen gerade um die Wette. Überall entsteht neues Leben.

Wir haben auch eine Skorpionsfliege und einen Neuntöter entdeckt. Ihre Namen mögen furchteinflößend klingen, doch das einzig Gefährliche an ihnen ist tatsächlich nur die Bezeichnung.

Eine Skorpionsfliege sitzt auf einem grünen Blatt in einem üppigen, grünen Wald.
Gemeine Skorpionsfliege (Panorpa communis)

Die Gemeine Skorpionsfliege (Panorpa communis), eine weit verbreitete Art der Schnabelfliegen in Europa. Besonders auffällig bei den Männchen ist ihr nach oben gebogenes Genitalorgan, das an den Stachel eines Skorpions erinnert – daher ihr Name.

Die Skorpionsfliege ernährt sich von toten Insekten, Pflanzenteilen und gelegentlich auch von Früchten. Sie bevorzugt feuchte Lebensräume wie Wälder und Waldränder. Ihre netzartig geäderten Flügel sind mit dunklen Flecken versehen, was ihr ein charakteristisches Erscheinungsbild verleiht. Trotz ihres furchteinflößenden Namens ist sie weder gefährlich noch giftig.

Ein Neuntöter (Lanius collurio) sitzt auf einem Ast mit blaugrauen Himmel im Hintergrund. Das Männchen hat eine schwarze Augenmaske und einen hellen, rosafarbenen Körper.
Neuntöter – Pie-grièche – (Lanius collurio)

Wir hatten die Ehre und das Glück, einen Neuntöter (Lanius collurio) beobachten und bewundern zu dürfen. Er sitzt auf seiner Ansitzwarte. Hier ein Männchen mit schwarzer Augenmaske. Er spießt Beutetiere oft an Dornen oder spitzen Seitenästen auf, um sie zu zerteilen oder als Vorrat zu halten. Dieser außergewöhnlichen Eigenart verdankt er seinen Namen. Früher nahm man fälschlicherweise an, er müsse stets neun Tiere aufspießen, bevor er eines verzehre.

Zu seinen wichtigsten Niststräuchern zählen Brombeere, Schlehe, Weißdorn und Heckenrose. Und all diese Büsche gibt es nun im Wald, der durch den Borkenkäfer lichter geworden ist.

Zwei Wanderer stehen vor einem Holzschild mit verschiedenen Wanderwegen im Wald.
Wir zwei auf dem Klimapfad-Lugenz – Hier gibt es immer etwas zu entdecken
A scenic view of a lush green valley surrounded by rolling hills and forests, with a small village nestled at the foot of the trees under bright, sunny skies.
Blick auf das Rottal

Und hier die Wanderung im Film:

Wandern im Silberwald

Silbern funkelten die Baüme im Lugenzwald

Gestern war es wieder zauberhaft im Wald. Die Bäume – aber Sträucher und Gräser – waren in Silber getaucht.

Promenade en forêt hier. Les arbres étaient argentés, l´atmosphère était magique.

Der Kontrast zwischen dem Graubraun der Gräser und dem blauen Silber der Bäume war besonders reizvoll
Frische Luft und Zauberfarben